VerfGH Berlin entscheidet zum zweiten Mal über Erstattungsfähigkeit der Sachverständigenkosten bei geringem Sachschaden

Eine zweimalige Verfassungsbeschwerde gegen einen hartnäckig die obergerichtliche Rechtsprechung zur Notwendigkeit eines Schadensgutachens auch unterhalb der sog. Bagatellgrenze ignorierenden Amtsrichters führt zur dritten Runde beim Amtsgericht Mitte.

In der ersten Runde ging es eigentlich nur um die Haftung dem Grunde nach, die Nettoreparaturkosten lagen deutlich unter 1.000 €, da der Wiederbeschaffungsaufwand aber den Reparaturkosten nahe kam, wurde zur Bestimmung von Wiederbeschaffungswert und Restwert ein Gutachten eingeholt. Die Beklagtenversicherung, eine große Versicherung aus München, zahlt nur 50 %, aber auch anstandslos 50 % der Gutachtenkosten. Im Prozess wird dann mit den Beklagtenvertretern, eine Kanzlei, deren Name an ein berühmtes Münchener Kaffeehaus erinnert, ausnahmslos um die Haftung dem Grunde nach gestritten, die Gutachtenkosten oder deren Notwendigkeit werden kein einziges Mal thematisiert. Das Amtsgericht urteilt nach Beweisaufnahme auf eine volle Haftung der Beklagten, hält aber zur Überraschung aller ein Gutachten nicht für notwendig und zieht von den restlichen Reparaturkosten die „zuviel“ bezahlten Gutachtenkosten wieder ab. Die Gehörsrüge gegen diese Überraschungsentscheidung, die nicht berufungsfähig ist, lehnt das Amtsgericht ab, die Beklagte springt nun wortgewaltig auf das Trittbrett auf und will auf diesem Zug mitfahren und hält urplötzlich auch die Gutachtenkosten für nicht erstattungsfähig.

Die Klägerin entschied sich zur Verfassungsbeschwerde. Auf diese hob der VerfGH Berlin das Urteil auf, weil das Amtsgericht seine Hinweispflicht in grundrechtswidriger Weise verletzt habe. Der Verfassungsgerichtshof verwies selbst darauf, dass nach obergerichtlicher Rechtsprechung gerade keine starre Grenze zu ziehen sei, gerade wenn auch ein wirtschaftlicher Totalschaden im Raume stünde. Die Sache wurde an dieselbe Abteilung des AG Mitte zu Berlin zurückverwiesen.

In der zweiten Runde wurden dann die rechtlichen Argumente ausgetauscht und das Amtsgericht Mitte erkannte erneut auf die Nichterstattungsfähigkeit der Gutachtenkosten, setzte sich auch weiterhin nicht mit der obergerichtlichen Rechtsprechung auseinander und machte auch nicht von der Möglichkeit Gebrauch, die Berufung zuzulassen. Ist ja auch schön, wenn man als Richter selbst den Daumen drauf haben kann, ob andere vielleicht jedenfalls in der Rechtsfindung schlauer sind als man selbst ist. Die Rechnung hat er aber ohne den VerfGH gemacht, denn die Klägerin wollte dies nicht auf sich sitzen lassen und wir haben erneut Verfassungsbeschwerde eingelegt.

Und der VerfGH hat das Urteil nun erneut kassiert, weil bei dieser Sachlage die Berufung hätte zugelassen werden müssen und damit das Urteil wiederum das rechtliche Gehör verletzte. Nun verwies er die Sache aber für die dritte Runde an eine andere Abteilung des AG Mitte zurück.

VerfGH Berlin, Beschluss vom 30.10.2019 – VerfGH 82/17

Quelle: verkehrsrecht.gfu