Keine Wartepflicht des Geschädigten auf höheres Restwertangebot

AG Donaueschingen, Urteil vom 12.06.2019, AZ: 1 C 37/18 

Hintergrund 

Die Parteien streiten um die Erstattung restlichen Wiederbeschaffungswertes sowie Zahlung einer Nutzungsausfallentschädigung. Die vollständige Eintrittspflicht des beklagten Haftpflichtversicherers steht außer Streit. 

Der Kläger verunfallte am 28.12.2018 mit seinem Fahrzeug, am selben Tag beauftragte er einen Sachverständigen mit der Begutachtung des streitgegenständlichen Fahrzeugs, die Begutachtung erfolgte am 02.01.2018. Am 05.01.2018 teilte der Sachverständige dem Kläger mündlich mit, dass der Restwert des Fahrzeugs 6.260,00 € betrage. Der Kläger veräußerte sein Fahrzeug am selben Tag zum angegebenen Preis. Am 13.01.2018 legte die Beklagte dem Kläger ein höheres Restwertangebot über 8.800,00 € vor. 

Die Beklagte legte einen Restwert von 9.090,00 € zugrunde und leistete eine Zahlung von 11.078,07 € an den Kläger. Der Kläger macht die Differenz geltend und verlangt zudem die Zahlung einer Nutzungsausfallentschädigung für die Dauer von 18 Tagen zu je 65,00 €, damit insgesamt 1.170,00 €. 

Aussage 

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf restlichen Wiederbeschaffungsaufwand in Höhe von 2.830,00 €. Bei Beschädigung einer Sache sind dem Geschädigten die Kosten der Wiederbeschaffung einer gleichartigen oder gleichwertigen Sache zu ersetzen. Der Wiederbeschaffungsaufwand bildet sich dabei aus der Differenz zwischen Wiederbeschaffungs- und Restwert. Der Wiederbeschaffungswert des streitgegenständlichen Fahrzeugs beträgt unstreitig 20.168,07 €. Der Restwert beträgt nach Auffassung des Gerichts 6.260,00 €. 

Nach Überzeugung des erkennenden Gerichts hat der Sachverständige überzeugend dargelegt, dass auf dem regionalen Markt lediglich ein Restwert von 6.260,00 € zu erzielen sei. Ein Restwert von 9.090,00 € sei indes nur auf dem überregionalen Markt zu erzielen. 

Soweit die Beklagte dem Kläger ein höheres regionales Restwertangebot vorgelegt hat, vermag dies nicht einen Verstoß des Klägers gegen die ihm obliegende Schadenminderungspflicht zu begründen. Das Angebot der Beklagten ist dem Kläger erst am 13.01.2018 unterbreitet worden, unstreitig hatte der Kläger sein Fahrzeug jedoch bereits am 05.01.2018 verkauft. Die Angebotsunterbreitung erfolgte mithin nicht rechtzeitig und der Kläger muss sich nicht darauf verweisen lassen. 

Ihn trifft zudem auch keine Wartepflicht auf ein höheres Restwertangebot, da der Kläger grundsätzlich Herr des Restitutionsgeschehens ist. 

Zudem hat der Kläger einen Schadenersatzanspruch wegen Nutzungsausfall in Höhe von 1.105,00 €. Da am klägerischen Fahrzeug ein Totalschaden eingetreten ist, wurde ihm die Gebrauchsmöglichkeit entzogen. Der Geschädigte hat hinreichend konkret vorgetragen, dass er auch einen hypothetischen Nutzungswillen hatte. 

Da der Unfall sich am 28.12.2017 ereignete und das Nachfolgefahrzeug am 15.01.2018 angemeldet wurde, steht dem Kläger ein Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung für 17 Tage zu je 65,00 € zu, sodass sich sein Anspruch auf 1.105 € beläuft. 

Praxis 

Ein Geschädigter darf auf den im Schadengutachten ausgewiesenen Restwert vertrauen und muss sich nicht auf höhere Restwertangebote verweisen lassen, wenn diese erst nach Verkauf des Fahrzeugs unterbreitet werden. Ihn trifft zudem keine Pflicht, auf höhere Restwertangebote des Haftpflichtversicherers zu warten. 

Quelle: BVSK